BMW i8: viel Fahrspaß aber verkorkstes Konzept

BMW i8 Roadster

Der BMW i8 ist kein Neuwagen. Das Coupé gibt es bereits seit 2014 und der Roadster hatte bereits im Frühjahr 2018 seine Premiere. Doch der bayrische Autohersteller will seinen Plug-in-Hybriden noch mal pushen. Vor der Tagesschau wird der Sportwagen beworben und Ende Juli durften Journalisten die beiden Modelle im Umland von München ausprobieren. Da sage ich nicht nein, denn der BMW i8 ist eine Seltenheit auf öffentlichen Straßen. Ich spotte immer: Sein natürlicher Lebensraum sind die Ausstellungsflächen auf Flughäfen. Gemein, aber wahr, wenn man sich die Zulassungszahlen anschaut. Inklusive dem ersten Halbjahr 2018 kommt man laut Kraftfahrtbundesamt auf rund 1.300 BMW i8. Wobei davon sicher bereits einige ins Ausland verkauft oder verunfallt sind. Also, etwas über 1.000 Modelle dürften auf Deutschlands Straßen unterwegs sein.

BMW i8 Roadster für 175.000 Euro

Kein Wunder bei Preisen ab 138.000 Euro für das Coupé. Der Roadster startet bei 155.000 Euro. Die Version meines zweisitzigen Testfahrzeugs hatte ein Preisschild in Höhe von 175.000 Euro. Dafür rauscht der BMW i8 Roadster fast lautlos über die Landstraße zwischen Mais- und Getreidefeldern. Auf den Waldstrecken höre ich statt Motorenbrummen Vogelgezwitscher. Jeder Radfahrer, den ich überhole, erschrickt. Sie hören mich nicht kommen. In den Dörfern schauen mir – vor allem Männer – nach. Dabei sollte man in der Region nördlich von München an die sportlichen BMW-Modelle gewöhnt sein, denn das BMW Testfahrzeug-Zentrum befindet sich in Garching.

BMW i8 auf dem Flughafen Hamburg

Erstaunlich ist, dass zwischen den Modellen i3 und i8 noch immer eine Lücke klafft. BMW hatte 2013 als erster deutscher Autohersteller mit dem i3 auf ein reines Elektroauto gesetzt. Ein Jahr später folgt der i8. Mein erster Gedanke: Was für ein geiler elektrischer Sportwagen! Da der BMW i3 ein Elektroauto ist, lag die Vermutung nahe, dass das auch für den i8 gilt. Doch der Sportwagen ist ein Plugin-Hybrid mit einem 105-kW-Elektromotor an der Vorderachse und einem 1,5-Liter-Drei-Zylinder-Benzinmotor mit 170 kW im Heck. Im Kanal zwischen Fahrer und Beifahrer stecken Lithium-Polymer-Akku-Zellen mit einem nutzbaren Energiespeichervermögen von 9,4 kWh. Der Bruttowert liegt bei 11,6 kWh. Das sind immerhin 63 Prozent mehr als in der ersten Version.

Rimac und Tesla machen es vor

BMW i8 Roadster in BayernEine rein batterie-elektrische Variante bekäme die gewünschten Leistungsdaten eines Sportwagens nicht hin, heißt es im Gespräch mit BMW-Experten. Im Sportwagen muss man tief sitzen, somit bleibt für Batterien der Raum vor, neben und hinter dem Fahrer. Aber: Beim neuen Tesla Roadster oder dem Rimac Concept Two geht das. Mit Reichweiten zwischen 650 und 1.000 Kilometer und Beschleunigungswerten von knapp über zwei Sekunden auf 100 km/h. Der i8 Coupé benötigt dafür 4,4 Sekunden, der Roadster 4,6 Sekunden.

Aber dieser Wert ist mir herzlich egal. Im Alltag beschleunige ich selten von Null auf Hundert. Mir ist wichtig, dass der Wagen bei 140 noch ausreichend Reserven hat, um auf 180 km/h für einen Überholvorgang zu kommen. Aber das kann ich an einem Freitag während der bayrischen Sommerferien nicht ausprobieren. Hier ist auf der Autobahn überall maximal 120 km/h erlaubt. Somit kann ich auch die Höchstgeschwindigkeit nicht austesten. Der i8 wird bei 250 km/h von der Software gedeckelt.

Großartiges Head-up-Display

Die Landstraßen sind für den offenen Roadster sowieso die bessere Alternative. Viele Kurven und dank Head-up-Display (HUD) muss ich die Augen nie von der Straße nehmen. Sowohl meine aktuelle als auch die erlaubte Geschwindigkeit sowie die Navi-Richtungsanzeigen schweben gestochen scharf vor dem Wagen. Nutze ich die Schaltwippen am Lenkrad, schaltet das HUD auf eine Gang- und Drehzahl-Anzeige um. Drücke ich den eDrive-Knopf, fahre ich rein elektrisch. Das funktioniert maximal für 53 Kilometer und nur bis Tempo 120 km/h.

Im Normalfall entscheidet die Software über die kombinierte Leistung beider Motoren mit zusammen 275 kW oder 374 PS. Mit 2,1 Litern Benzin und 14,5 kWh Energie bewältigt man laut Broschüre 100 Kilometer. Ordentlich hörbarer wird der Benzinmotor erst im Sport-Modus. Das Display wechselt von Blau auf Rot. Nun reagiert das Beschleunigungspedal so, wie man es von einem Sportwagen kennt. In diesem Modus geht aber nicht die komplette Leistung des Heckmotors auf die Räder, sondern lädt auch die Batterie auf. So kann man am Zielort wieder lautlos durch die Straßen rollen.

Gerade mal 53 km elektrisch

Als ich vom BMW Testgelände rolle, habe ich die vollen 53 Kilometer elektrische Reichweite. An einer Schuko-Steckdose dauert eine vollständige Ladung viereinhalb Stunden. Mit der Wallbox verkürzt sich das auf drei Stunden (3,6 kW). Als erstes öffne ich das Faltdach. Das funktioniert bis Tempo 50 und ist innerhalb von 15 Sekunden erledigt. Da das Verdeck im Heck verschwindet, bleiben nur 88 Liter Stauraum im Heck. Den meisten Platz nimmt hier bereits der Beutel mit dem Ladekabel ein. Aber hinter den beiden Sitzen gibt es ein Ablagefach mit 92 Litern Volumen. Für Supermarkteinkäufe oder einen längeren Familienurlaub ist der Wagen nichts. Es ist ein Spaß-Mobil für’s Wochenende. Damit am Montag der Nacken nicht schmerzt, gibt es eine versenkbare Heckscheibe. Auf Stufe eins hält sie die Luftverwirbelungen außerhalb der Fahrerkabine.

BMW i8 Coupé warten auf die Testfahrer

Gehen wir mal zurück in der Geschichte. Es ist 2007, das Jahr des iPhones. In dem Jahr entsteht das Project i. Da weiß man auch, warum die Wahl auf diesen Buchstaben fiel. Die BMW-Arbeitsgruppe entwickelt Ideen für nachhaltige Mobilität und Antworten darauf, wie ein Autohersteller Morgen aussehen sollte. Gutes Timing, denn 2008 brechen in der globalen Autoindustrie dank Finanzkrise die Absatzzahlen ein. Die Submarke BMW i wird 2010 aktiv. Sie umfasst heute Services wie DriveNow und ReachNow (Carsharing), ParkNow (weniger Parksuchverkehr) und ChargeNow (Ladesäulen finden).

Vorbildliche Fertigung in Leipzig

In Leipzig entsteht ein neues Werk für die i-Modelle. Es geht schonender mit Ressourcen um und Energie wird durch Windräder erzeugt. Den Strom speichert BMW in First- und Second-Life-Batterien. Erstmals wird eine Fahrgastzelle aus Carbon gefertigt. Der kohlenstofffaserverstärkte Kunststoff wird gebacken und nicht gestanzt. Ein teurer Lern- und Produktionsprozess für BMW. Der Autohersteller stellt auch gleich den Vertrieb um. Die i-Modelle kann man nur online oder bei i-Agenten im Händlernetz kaufen. Als der BMW i3 in den Verkauf geht, ist Teslas Model S gerade mal etwas mehr als ein Jahr in den USA auf dem Markt. BMW ist also früh dran. Die Form des i3 schreit: „Ich bin ein Elektroauto“. Das mag man hässlich finden, doch es hilft der Akzeptanz dieser neuen Antriebstechnik.

BMW i8 Coupé

Ein Jahr später folgt der sportliche BMW i8. Die Lücke zwischen i3 und i8 wird bis heute nicht geschlossen. Die Schlagzeilen der Elektromobilität dominieren andere Hersteller – vor allem Tesla. BMW hätte dem Model 3 mit einem bezahlbaren Mittelklasse-Elektroauto längst etwas entgegenstellen können. Aber der Konzern versinkt in einem internen Hickhack. Mitglieder des Project i kommen nur noch in Pressemitteilungen von Auto-Startups, vorwiegend aus China, vor. So blutet das Project i über die Jahre aus: Ulrich Kranz, der ehemalige Leiter, geht zusammen mit dem ehemaligen BMW-Finanzvorstand Stefan Krause zu Faraday Future. Nach kurzer Zeit gründen die beiden in Kalifornien ihr eigenes Unternehmen. Für Evelozcity holen sie noch den ehemaligen BMW Lead-Designer der i-Modelle sowie Karl-Thomas Neuman. Der war bis Mitte 2017 Chef von Opel Deutschland. Carsten Breitfeld, ehemaliger i8-Entwicklungsleiter, ist heute CEO von Byton. Er nimmt aus dem BMW-Team unter anderen den Marketingexperten Henrik Wenders und den Designer Benoit Jacob mit.

12 Elektroautos bis 2025

BMW spricht inzwischen vom Project i 2.0. BMW-Chef Harald Krüger will die Submarke wird wieder enger in den Mutterkonzern einbinden. Den Vertrieb dreht er auf „klassisch“ zurück. Bis 2025 will der Hersteller 25 elektrifizierte Modelle, davon 12 batterie-elektrische Versionen, im Programm haben. Das sind 12 Jahre nach dem i3-Start. Wäre BMW ein Auto, könnte man sagen, sie haben den Wagen nach einem furiosen Start für über eine Dekade auf dem Standstreifen geparkt. Für die Zukunft hat das Unternehmen batterie-elektrische Versionen des Minis und des X3 angekündigt. Ersterer wird in Großbritannien, zweiterer als iX3 in China gefertigt. Die deutschen Werke dürfen erst später ran.

BMW i8 Roadster auf sommerlicher Ausfahrt

BMW i4 kommt erst 2021

Ab 2021 kommt ein elektrischer iNext in der Größe der 5er-Reihe auf den Markt. Die Motorpresse nennt ihn i5, BMW spricht nicht davon. Lediglich die Bezeichnung i4 ist für ein Elektroauto in der Größe der 3er-Reihe zu finden, den BMW aber offiziell als i Vision Dynamics vorgestellt hat. Auch er kommt 2021 auf den Markt und ist als Gegenentwurf zum Tesla Model 3 gedacht. Das amerikanische Mittelklasse-Auto dürfte bis dahin mindestens ein Jahr, eventuell schon länger, auf europäischen Straßen unterwegs sein. Bei beiden Modellen verzichtet BMW auf die leichte Carbon-Karosserie und setzt auf die etablierte und günstigere Stahl-Alu-Kombination.

Wie es mit dem i3 und i8 weitergeht, ist ungewiss. Zumindest beim i8 fallen mir kaum Gründe ein, die für einen Kauf sprechen. Wer einen klassischen, offenen Sportwagen fahren möchte, kommt mit dem 911 Carrera Cabriolet von Porsche günstiger weg. Wer innovativ sein will, wartet auf den überarbeiteten Tesla Roadster. Der liegt in vergleichbarer Preislage, zumindest wenn Tesla die angekündigten 200.000 US-Dollar für die Serienversion nicht eins zu eins umrechnet.

Klar, meine Testrunden in beiden Modellen haben mir viel Spaß gemacht. Die Fahrten über die Landstraßen bei strahlendem Sonnenschein, waren ein wunderbares Erlebnis. Doch weder die Preisschilder noch die Hybrid-Technik lassen mich jubeln. Der BMW i8 bleibt ein kleines „Inselprojekt“ mit ansprechendem Design. Jetzt wird es Zeit für einen batterie-elektrischen Sportwagen mit dem blau-weißen Kreis auf der Haube.

BMW i8 Roadster Dirk Kunde

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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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